Hintergrund: Ökoakustik und Schutzgut Stille
Das Biosphärengebiet Schwarzwald hat das Potenzial, von der Einrichtung „ruhiger Zonen“ oder „ruhiger Gebiete“ zu profitieren, die es in angloamerikanischen Ländern bereits seit mehr als drei Jahrzehnten gibt. Als ein von der Gemeinschaft getragenes Konzept sind diese Gebiete dafür bekannt, dass sie die Gesundheit, die biologische Vielfalt, die Wirtschaft, die Ästhetik und die Bildung fördern und gleichzeitig eine Quelle der Inspiration darstellen. Welchen Beitrag könnten solche Gebiete für das Biosphärengebiet Schwarzwald leisten?
Zum Schutz natürlicher Klanglandschaften könnte man Maßnahmen wie die Ausweisung von Ruhezonen und die Erhaltung naturnaher Klanglandschaften in Betracht ziehen. Darüber hinaus könnten ordnungspolitische Maßnahmen ergriffen werden, um lärmrelevantes Verhalten zu steuern. Die Diskussion um Stille und naturnahe Klanglandschaften im Biosphärengebiet Schwarzwald ist derzeit eher negativ besetzt, insbesondere in Bezug auf den Lärm des motorisierten Individualverkehrs.
Field Recording und künstlerische Forschung
Als erster Schritt im Rahmen des Gesamtprojektes könnte eine Pilotphase folgende Maßnahmen umfassen:
Auswahl von Pilotflächen und Stille Orten
In Abstimmung mit dem Biosphärengebiet werden Pilotflächen für das akustische Monitoring ausgewählt. Beabsichtigt ist die Auswahl von zehn bis 20 Flächen. Dabei werden Flächen mit unterschiedlichen Charakteristika bezüglich der Soundscapes sowie der touristischen Relevanz berücksichtigt. Diese Flächen können von stillen Orten mit vielen Erholungssuchenden bzw. Naturtouristen bis zu einem engen Tal mit erhöhter Lärmbelastung reichen.
Akustische Aufnahmen auf den Pilotflächen
Auf den Pilotflächen werden innerhalb eines Jahres zeitlich punktuelle Aufnahmen mit einer Dauer von jeweils einer Woche durchgeführt. Die Auswahl der Aufnahmezeitpunkte berücksichtigt unterschiedliche naturräumliche und touristische Situationen, mit denen verschiedenen Tages- und Jahreszeiten, sowie Wochentage, Wochenenden und Ferien abgedeckt werden. Mit dem Einsatz von Low cost audio recorders (LCRs) können diese Aufnahmen auch mit einem geringen Budget sichergestellt werden.
Einbindung von Citizen Scientists
Über einen öffentlichen Aufruf werden Menschen aus dem Biosphärengebiet gewonnen, um Rekorder an ausgewählten Standorten anzubringen oder mit dem Mobiltelefon Soundscapes aufzunehmen, Daten auszulesen bzw. hochzuladen und ggf. auch bestimmte Geräuschquellen zu quantifizieren (bspw. Anteil an Motorrädern). Teilnehmer an diesem Citizen Science Projekt werden im Rahmen eines Kurz-Workshops in die Grundlagen und Methoden der Soundscape Ecology eingeführt.
Auswertung: Stille und Lärm
Die Auswertung der Daten erfolgt durch die vorhandene IT-Infrastruktur der Universität Freiburg, Abteilung Geobotanik. Die Analyse der Audioaufnahmen quantifiziert Lärm und Stille auf den Pilotflächen und bestimmt die Komposition der untersuchten Soundscape.
Ergebnisse: Soundscapes und Klangökologie
In der Pilotphase konnten unterschiedlichste Soundquellen auf Untersuchungsflächen registriert werden. Neben Geräuschen von Pflanzen waren dies insbesondere Klänge von Vögeln und Insekten. Zu den wesentlichen menschlichen Klängen gehörten Verkehrslärm und Geräusche durch Forstwirtschaft.
Im Hinblick auf Still und Lärm wurde dafür auch die Dominanz unterschiedlicher Soundquellen identifiziert. Die Dominanz von Verkehrs- und insbesondere Motorradlärm ist auf den meisten Pilotflächen als gering zu bewerten. Lediglich die Pilotfläche an der Sengalenhalde wies aufgrund ihrer Lage und Ausrichtung zur Straße L149 höhere Messwerte für Verkehrslärm auf.
Exemplarische Visualisierung eines Audio-Ausschnitts der Pilotfläche Scheibenfelsen.
Verkehrslärm auf der Pilotfläche Sengalenhalde.
Stiller Ort Scheibenfelsen
Die Piltophase ergab stark unterschiedliche Ergebnisse für die Pilotflächen, trotz sorgfältiger Auswahl von Vergleichbaren Standorten in den Kernzonen des Biosphärengebietes.
Dies zeigt, dass für Stille Orte und insbesondere die Belastung durch Verkehrsgeräusche und Motorradlärm die Topografie eine entscheidende Rolle spielt. Die Lage von Straßen und Beschleunigungsstrecken im Talschnitt, die Kubatur der Täler sowie die topografische Lage der Kernzonen im Vergleich dazu sind die zentralen Faktoren zur Ausbildung von ruhigen Gebieten.
Unter Verwendung von topografischen 3d-Modellen könnte die Ausbreitung besser simuliert werden, und ggf. so die Ausweisung von ruhigen Gebieten bzw. Stillen Orten unterstützt werden.
Sound Ecology und Bildung in Großschutzgebieten
Aus den Ergebnissen der Pilotphase ergeben sich folgende Themen und Fragestellungen für das Gesamtprojekt:
Stille und naturnahe Soundscapes als Schutzgut und Naturerlebnis entwickeln
- Welche unterschiedlichen Soundquellen können auf Untersuchungsflächen identifiziert werden?
- Welche Dominanz haben dabei Verkehrs- und insbesondere Motorradlärm?
- Welche Kriterien eignen sich, um den Schutzbedarf von Soundscapes oder Quiet Areas zu beurteilen?
Die Zufriedenheit der Besucher erhöhen
- Welche Regelungsoptionen ergeben sich aus den Ergebnissen der Lärmuntersuchung?
- Wie kann eine attraktive und interaktive Darstellung zur Sensibilisierung für die Lärmthematik beitragen?
Die Faszination von Sound für das Biosphärengebiet nutzen
- Welche Soundscapes eignen sich insbesondere zu Kommunikations- und Bildungszwecken des Biosphärengebiets?
- Wie können Soundscapes als innovatives und attraktives Mittel der Außenkommunikation des Biosphärengebiets eingesetzt werden?
Übersicht der Pilotflächen im UNESCO Biosphärengebiet Schwarzwald
Auf Basis der erzielten Ergebnisse können zahlreiche weitere Projekte und Aktivitäten angestoßen werden. Je nach den Prioritäten der Biosphärengebiets-Verwaltung könnten Folgeaktivitäten in den folgenden Bereichen und mit den folgenden Fragestellungen angeknüpft werden.
Um Stille und naturnahe Soundscapes als Schutzgüter weiter zu entwickeln, könnten charakteristische Soundscapes für das Biosphärengebiet identifiziert werden und die Schutzgebietszonierung durch Soundscapes überprüft werden. Eine zentrale Frage könnte lauten: Welche Intensität, Qualität (z.B. als störend oder angenehm empfunden) und räumliche Konfiguration der von Menschen produzierten Geräusche ist im Biosphärengebiet Südschwarzwald angemessen?
Für Maßnahmen zur Umweltbildung, z.B. in Besucherzentren oder Wanderausstellungen, könnten zudem verschiedene Soundscapes aus dem Gebiet über Spektrogramme visualisiert werden und dies zur Erläuterung von Biodiversitätsänderungen genutzt werden.
Um die Zufriedenheit der Besucher weiter zu erhöhen, könnte untersucht werden, wie Besucher die Gebiete in ihrer Charakteristik von naturnahen Soundscapes und Lärm wahrnehmen. Dazu könnte ein Medienexponat entwickelt werden, an dem Besucher Soundscapes bewerten sowie auch spielerisch komponieren können. Damit können Daten zu Präferenzen generiert werden, die zur Erhöhung der Besucherzufriedenheit im Hinblick auf die Lärmbelastung beitragen können. Um die Faszination von Sound für das Biosphärengebiet stärker zu nutzen, könnte eine Datenbank von Soundscapes aufgebaut werden, um diese zielgerichtet in der Kommunikations- und Bildungsarbeit des Biosphärengebiets zu verwenden. Darauf aufbauend können Projekte des Biosphärengebiets und Rahmenbedingungen identifiziert werden, in denen die attraktive und künstlerische Darstellung von Sound besonders zielführend erscheint.
Bildung für nachhaltige Entwicklung und Kommunikation
Die Eignung von Soundscapes zu Kommunikations- und Bildungszwecken wird einerseits anhand der Möglichkeiten der akustischen, visuellen und künstlerischen Weiterverarbeitung beispielhaft aufgezeigt. Andererseits werden die Soundscapes im Hinblick auf die Bildungsziele des Biosphärengebiets und die Eignung für erfahrungsorientiertes Lernen und partizipative Lernprozesse bewertet.
Contact
knockknock@sound-art-ecology.org
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