Deep Listening

Deep Listening ist ein konzentriertes Wahrnehmen der akustischen Umgebung.

Pauline Oliveros hat es so gut zusammengefasst: „Deep Listening ist eine Form der Meditation. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf das Zusammenspiel von Klängen und Stille oder dem Kontinuum von Klang und Stille. Klang ist nicht auf musikalische oder sprechende Klänge beschränkt, sondern umfasst alle wahrnehmbaren Schwingungen. Dabei ist die Beziehung aller wahrnehmbaren Klänge wichtig.“ (Oliveros 2005)

 

Die Praxis des Zuhörens

Die Praxis des Deep Listening fokussiert das Bewusstsein das Raum/Zeit-Kontinuum von Geräuschen. Doch dafür benötigen wir „einen Begriff, um die zeitliche und räumliche Situiertheit des Hörers auszudrücken, der das akustische Äquivalent des visuellen Begriffs für Sehweisen, nämlich den Blick, ist. Zuhören spricht Innenräume an; Zuhören verschafft Zugang zu dem, was dem Blick verborgen ist.“ (Becker 2004, 70). Wenn wir bewusster zuhören – anderen Menschen, aber auch der natürlichen Umgebung als Ganzes -, entstehen neue Möglichkeiten der Erkenntnis und neue Lösungsansätze für aktuelle Herausforderungen.

 

Deep Listening und Nachhaltigkeit

Ein innehalten, die Stille in ruhigen gebieten und ein tiefes Wahrnehmen der auditiven Natur kann auch für die Bewältigung der multiplen Krise hilfreich sein. So kann „Herausforderungen wie Biodiversitätsverlust oder Klimawandel begegnet werden, wenn wir wieder-erlernen, die Nuancen einer Welt wahrzunehmen, die mehr ist als nur das Anthropozän.“ (Malhotra and Carrillo Rowe 2013, 97)

 

Stille.

Stille ist der Ausgangspunkt jeglichen Hörens und damit auch Bezugspunkt für ein Deep Listening. Stille und die Auffassung davon, was Stille ist, betrifft damit auch das Metaphysische. Insofern kann Stille als Erwartung gedacht werden; Eine Erwartung die auf ein sensorisches, klangliches Ereignis. Andererseits kann Stille auch verstanden werden, als ein Zustand der sich ausbreitet, wenn ein Klangereignis sich verflüchtigt. (Street 2019, 8)

 

Stille und Naturgeräusche

Vogelgezwitscher – ja klar. Aber darüber hinaus werden ganze Ökosysteme beziehungsweise die Erde selbst eher als unfähig zu kommunizieren, wahrgenommen. Die natürliche Welt ist der Hintergrund, der Soundscape vor dem die Kakophonie des Menschen in den Vordergrund tritt. (Malhotra and Carrillo Rowe 2013, 95)

Bedeutet Stille daher Naturgeräusche?

Ein sehr passendes Zitat umreißt auch die Praxis des Deep Listenings: “It is time for us to sharpen our perceptions, to pay better attention, to listen for the murmurings of a more-than-human world, and to imagine the possibility that a seemingly silent planet might yet reveal something that we need to hear.” (Malhotra and Carrillo Rowe 2013, 98)

Dieses Zuhören, diese Stille kann auch im Naturraum Schwarzwald erlebt werden. 

 

Ruhige Gebiete

Ruhige Gebiete sind nicht still, nicht ohne auditiven Reiz. Ruhige Gebiete – oder Quiet areas – sind vielmehr lärmfreie Gebiete. Gebiete mit einem natürlichen Soundscape. Hier kann Deep Listening praktiziert werden um mit der Natur in kontakt zu treten. Hier kann in der „Stille der Naturgeräusche“ meditiert werden. 

Potenziell ruhige Gebiete sind in Deutschland selten – im Schwarzwald jedoch großräumig vorhanden.

Ruhige Gebiete Schwarzwald

© Martin Jäschke, 2015; Geobasisdaten (Landesgrenzen) © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie http://ruhige-gebiete.de/

Ruhige Gebiete, oder Quiet areas, mit ihrem naturnahen Soundscape haben zahlreiche positive Effekte: Sie steigern Wohlbefinden, Lebensqualität und Gesundheit. Darüber hinaus können Ruhige Gebiete einen naturnahen Tourismus in seinem Qualitätsanspruch untermauern und die Voraussetzungen für Erholungsnutzungen schaffen, für die Ruhe, Stille und Deep Listening notwendig sind. (Jäschke 2013, 7) 

 

Ruhige Gebiete im Biosphärengebiet Schwarzwald

Natural Soundscapes, also natürliche Klanglandschaften oder Klangkulissen, werden im anglo-amerikanischen Raum bereits seit über 30 Jahren unter Schutz gestellt. Solche „Stillen Zonen“ oder „Ruhige Gebiete“ wirken sich als gemeinschaftlich entwickeltes Konstrukt positiv auf Gesundheit, Biodiversität, Wirtschaft, Ästhetik und Bildung aus und dienen als basale Inspirationsquelle. Welche Rolle könnten solche Gebiete im Biosphärengebiet Schwarzwald spielen?

 

Schutzmaßnahmen könnten die Ausweisung von Quiet Areas und naturnahen Soundscapes umfassen, genauso wie Regelungsansätze bezüglich lärmrelevanten Verhaltens. Denn im Biosphärengebiet Schwarzwald ist die Diskussion über Stille und Natural Soundscapes derzeit vor allem negativ konnotiert – insbesondere durch die Fokussierung auf, durch motorisierten Individualverkehr verursachten, Lärm.

 

Den Zusammenhang zwischen Deep Listening, Ruhigen Gebieten und Motorradlärm sowie naturnahem Tourismus und Großschutzgebietsmanagement beleuchte ich in einem folgenden Blogpost, denn

„Ein modernes Lärm- und Ruhemanagement beginnt im Kopf“ (Jäschke 2013, 7)

 

 

 

References

Becker, Judith O. (2004). Deep listeners. Music, emotion, and trancing. Bloomington, Ind., Indiana University Press.

Jäschke, Martin (2013). Lärmkartierung und ruhige Gebiete. Verlag nicht ermittelbar.

Malhotra, Sheena/Carrillo Rowe, Aimee (Eds.) (2013). Silence, feminism, power. Reflections at the edges of sound. New York, Palgrave Macmillan.

Oliveros, Pauline (2005). Deep listening. A composer’s sound practice. New York, NY, iUniverse.

Street, Seán (2019). The Sound inside the Silence. Travels in the Sonic Imagination. Singapore, Palgrave Macmillan.

 

Contact

knockknock@sound-art-ecology.org